Der Generationenvertrag ist aufgekündigt

Dieser Text ist in leicht gekürzter Version im Standard als Kommentar der Anderen erschienen: http://derstandard.at/1254311461119/Kommentar-der-anderen-Ich-habs-satt-meine-Herren

Seit Jahrzehnten halten großkoalitionäre Lobbyisten unser Land im Würgegriff gefangen. Und fast alle Parteien haben sich angesichts demographischer Realitäten den Wünschen der Seniorenverbände ausgeliefert. Erst in den letzten Tagen wurde dies wieder deutlich.

In mitten der schwersten wirtschaftlichen Krise seit Ende des 2. Weltkrieges feiern sich Blecha und Khol im Parlament ab und erstaunen mit immer frecheren Forderungen. Schon sehen sie sich als fünften Sozialpartner, als nächstes vielleicht die immerwährende Pensionserhöhung von 5% in die Verfassung?!

PensionistInnen haben derzeit beste Chancen zwischen 1,5 und 1,9% Pensionserhöhung einzusacken. Wohlgemerkt, alle PensionistInnen, nicht nur jene mit den niedrigsten Pensionen, die knapp an der Armutsgrenze leben. Nein, wenn es nach dem Duo Infernale Khol/Blecha geht, dann sollen auch die Bezieher der Höchstpension, also zum Beispiel sie selber, mehr bekommen.

Wir, die wir diese Pensionen finanzieren, leben gleichzeitig in der Realität der neuen Arbeitswelt. Viele blicken derzeit existenzieller Bedrohung ins Auge: sei es in Form von Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit oder – so wie viele Junge – ohne Chance auf den ersten Job.

Die aktuelle Krise erlebt die Nachkriegs-Generation als konjunkturbedingten Abschwung. Die Jungen kennen den Aufschwung erst gar nicht. Denn für viele Unter-Dreißigjährige hat die Krise schon lange vor dem Untergang von Lehman Brothers begonnen: für die in Sonder- und Hauptschulen abgeschobenen Migrantenkinder, für die armutsgefährdeten Kinder von Alleinerzieherinnen, selbst für gut ausgebildete UniversitätsabsolventInnen der Generation Praktikum. Und Egon Blum, ehemaliger Lehrlingsbeauftragter der Bundesregierung, meinte kürzlich: “Es herrscht Notstand auf dem Lehrstellenmarkt.” Und so erleben Junge Andreas Khol Sager „Wir werden euch die Butter nicht vom Brot wegessen“ nur als Chuzpe, denn wer kein Brot hat, der kann sich erst recht keine Butter draufschmieren.

Statt unsere Zukunft zu verkaufen, muss die Bundesregierung endlich die Zeichen der Zeit und nicht der größten Wählergruppen erkennen: ein faires Pensionssystem ermöglicht allen ein menschenwürdiges Leben durch eine Grundsicherung und eine gedeckelte Erwerbspension. Hochsubventionierte Höchstpensionen gehören dann der Vergangenheit an, und Armut im Alter ist abgeschafft.

Umfragen zeigen, dass junge Menschen schon lange nicht mehr daran glauben, auch eine staatliche Altersvorsorge zu bekommen. Nur 12 Prozent aller unter 25 Jährigen glauben, dass sie jemals die für die (meisten) heutigen Pensionisten Selbstverständlichkeit einer existenzsichernden Pension erhalten werden. An diesem massiven Vertrauensverlust sind die SeniorInnenvertreter und die Politik der letzten Jahre schuld. Mit allen Tricks (SeniorInnen-Index & Co) und vor allem dem Argument der WählerInnen-Demographie haben sie den Bogen überspannt. Statt sich um Menschen in Armut zu kümmern, und ausgleichende Politik für alle zu machen, verspielen sie den budgetären Spielraum kommender Generationen. Und das merken die Jungen. Denn wenn wir in Österreich auch keine Lobby haben, auf den Kopf gefallen sind wir auch nicht.

Überaltete Parteien und kurzsichtig an Wahlergebnissen orientierte Regierungen machen aber seit Jahrzehnten Politik basierend auf der Illusion, dass es uns in Österreich immer nur gut gehen wird. Das Ergebnis: weder soziale, bildungspolitische oder ökologische Probleme wurden ernsthaft angegangen. Die Krise verschärft nun die Probleme: 38% Zuwachs bei der Jugendarbeitslosigkeit und ein von Besitzstandwahrungsdenken geprägtes Bildungssystem, das Innovation kaum zuläßt, werden es den Jungen in den nächsten Jahrzehnten weiter erschweren. Ist es da ein Wunder, dass sich viele Junge der Politik immer mehr entfremdet fühlen?

Angesichts dieser Bilanz muss man sagen: der Generationenvertrag ist schon länger aufgekündigt, aber nicht von Seiten der Jungen, sondern von der älteren Generation.

5 comments

  1. Liebe Frau Ringler!
    Dieser Artikel tut meinem grünen Herzen sehr weh:
    1. weil volkswirtschaftlich gesehen blühender Unsinn
    2. weil damit die Propaganda der Finanzindustrie nachgebetet wird
    3. weil hetzerisch im Tonfall.
    Sollten Ihnen in der Zwischenzeit vielleicht irgendwelche Zweifel an der Haltbarkeit Ihrer Thesen gekommen sein, lassen Sie uns doch bitte darüber reden!
    Beste Grüße
    H. Winter (0664-1519304)

  2. alles was ich (65jährig) dazu schreibe wird zuviel und zu wenig klar, würde endlich meine wut und unverständnis über die heuschrecken, als die ich mich fühle, wenn ich die kommentare und meinungen zu pension und anspruch lesen muss, ohne ablehnung besprochen sehen ohne einzelne teile und ansichten um den kopf geprügelt zu bekomme,
    mit grolligen grüssen
    helmut wöhrer

  3. Wenn es die Grünen wirklich ernst meinen mit der Gerechtigkeit im Pensionssystem, sollten sie sofort die Angleichung des Pensionsalters der Frauen fordern. Die grösste Umverteilung gibt es nicht von Jung zu Alt, sondern von Männern zu Frauen. Frauen arbeiten weniger, zahlen weniger ein, leben länger, und dann gehen sie auch noch früher in Pension. Das Pensionssystem kann sehr leicht gerettet werden. Wenn die Frauen nicht nur Rechte einfordern, sondern auch entsprechende Pflichen akzeptieren.

  4. ich kann mich nur dem posting von herrn Oliver Peter Hoffmann voll anschliessen !

  5. Der Beitrag hier ist ja schon älter, dennoch aktueller denn je. Im Grunde kann man sich dem Kommentar von Oliver Peter Hoffmann auch jetzt immer noch anschließen.

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